Dienstag, 28. Juni 2016

Interview mit Stefan Schaaf vom PAD

Die Abkürzung PAD steht für Pädagogischer Austauschdienst. Diese Stelle ist bei der Kultusministerkonferenz angesiedelt. Der PAD ist für die internationale Zusammenarbeit und den internationalen Austausch im Schulbereich zuständig - eine genaue Übersicht bietet die überaus informative Internetpräsenz: klick. Im Rahmen von Erasmus+ ist der PAD die nationale Koordinierungsstelle für Deutschland. Heute habe ich Herrn Stefan Schaaf vom PAD bei mir im Interview zu Gast.

Foto privat

Herr Schaaf, ich freue mich, dass Sie heute für ein Interview auf meinem Blog zu Gast sind.
Vielen Dank für die Einladung dazu!
Sie arbeiten beim PAD. Welche Aufgaben haben Sie dort?
 Ich leite beim Pädagogischen Austauschdienst eines der beiden Referate, die gemeinsam die Nationale Agentur bilden. In diesem Referat sind mehrere Aufgaben gebündelt: Mobilitätsprojekte der Leitaktion 1 des Programms Erasmus+, Organisation eigener Veranstaltungen wie z.B. Fachtagungen und Seminare sowie Auswahl von dt. Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Veranstaltungen in anderen Programmstaaten, Betreuung der Programmdatenbank sowie Finanzen und Statistik. Insgesamt sind wir in diesem Referat 16 Kolleginnen und Kollegen. Neben den typischen Tätigkeiten wie z.B. Lektüre von Brüsseler Dokumenten, Besprechungen mit den Teams, Teilnahme an Veranstaltungen im In- und Ausland, Entscheidung von speziellen Einzelfällen gibt es auch immer wieder das Privileg, mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa zusammenarbeiten zu dürfen.
Welche Möglichkeiten bietet Erasmus+ den Schulen?

Erasmus+ bietet den Schulen die Möglichkeit und auch die finanziellen Mittel, die eigene Schulentwicklung durch europäische Zusammenarbeit positiv weiterzuent-wickeln. Konkret können Schulen bei Erasmus+ z.B. in der Leitaktion 2 mit anderen Einrichtungen in Europa im Kontext von europaweit gültigen Prioritäten an bestimmten selbst gesetzten Themen arbeiten. Die Leitaktion 1 bietet Schulen ein strategisches Mittel zur Fortbildung der eigenen Lehrkräfte und des eigenen Fachpersonals durch die Teilnahme an europäischen Fortbildungskursen, durch Hospitationen bei anderen Schulen bzw. für die Schulbildung relevanten Institutionen sowie durch eigenes Unterrichten an einer Partnereinrichtung. Diese Maßnahmen müssen in einem anderen Programmstaat als Deutschland stattfinden. Eine Schule kann hier einen Antrag für mehrere Fortbildungsmaßnahmen in einem Zeitraum von 12 bis 24 Monaten stellen.
Am 4. Oktober um 12 Uhr endet die Abgabefrist für die zweite Runde der KA 1-Anträge. Welche Tipps haben Sie für deutsche Schulen?
 Zunächst einmal: einen Antrag stellen. Und falls es in die Planung der Schule passt, würde ich zudem eine Antragstellung erst zum Februar 2017 empfehlen, da uns dann deutlich mehr Mittel zur Verfügung stehen als in der zweiten Runde 2016. Der Antrag der Schule sollte möglichst konkret den Fortbildungsbedarf der Einrichtung sowie die Maßnahmen zur Deckung des Bedarfs skizzieren. Die Fortbildungsmaßnahmen sollten in eine übergeordnete Zielsetzung der Einrichtung eingebettet sein, so dass man von einem Mobilitätsprojekt sprechen kann. Weiterhin ist es wichtig, dass die Europäische Dimension der geplanten Vorhaben klar erkennbar ist. Bei Hospitationen bei Partnerschulen im europäischen Ausland ist der europäische Austausch per se gegeben. Bei der Teilnahme an Fortbildungskursen sollte von Seiten der deutschen Schule beim Anbieter darauf gepocht werden, dass die Gruppe mutlinational zusammengesetzt ist. Sie wollen bei einem europäischen Fortbildungskurs ja sicher nicht nur auf deutsche Lehrkräfte stoßen. Und zum Schluss noch ein Tipp: die Antragstellung und auch Berichterstattung über ein Mobilitätsprojekt ist mit einem gewissen administrativen Aufwand verbunden. Zum Teil betragen die Zuschussbeträge ja auch mehrere Zehntausend Euro. Von daher würde ich von einem Mobilitätsprojekt, das nur eine oder zwei Mobilitäten umfasst, eher abraten.
Warum sollten Lehrerinnen und Lehrer die zusätzliche Arbeit der Antragstellung auf sich nehmen?
Ich zitiere aus einem Abschlussbericht einer deutschen Schule: "Wir sind begeistert. Die Antragsstellung ist zwar aufwendig, aber die Arbeit lohnt sich. Wir werden uns alle Mühe geben, damit unsere künftigen Anträge positiv beurteilt werden, um die Nachhaltigkeit unserer Arbeit zur europäischen Orientierung in der Schul- und Unterrichtsentwicklung zu gewährleisten." Das Programm bietet Chancen - allerdings nur gegen einen gewissen administrativen Aufwand. Schulen sollten das Mobilitäts-projekt so planen, dass die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Im übrigen ist Deutschland mit zwei anderen Staaten das einzige Land, in dem das zur Verfügung stehende Budget nicht ausgeschöpft wird. In allen anderen Staaten ist die Nachfrage deutlich höher als die Mittel. Als Nationale Agentur müssen wir somit gerade an dieser Fragestellung arbeiten und mehr deutsche Schulen für eine Antragstellung interessieren. Heißt aber für die deutschen Schulen: Die Erfolgsaussichten eines Antrags sind sehr gut!
Haben Sie selber von Maßnahmen profitiert, die von der EU gefördert wurden? Wenn ja, was hat es Ihnen gebracht?
Das habe ich nicht. Allerdings habe ich als Studierender an einem Programm des Pädagogischen Austauschdienstes - meinem heutigen Arbeitgeber - teilgenommen. Von Oktober 91 bis Mai 92 war ich als Fremdsprachenassistent an zwei Schulen in Niort / Westfrankreich eingesetzt und habe die Deutschlehrkräfte im Unterricht unterstützt. Diese Zeit hat mir sehr viel praktische Erfahrung im Unterrichten von Kindern und ein Eintauchen in das französische Alltagsleben mit allen schönen und auch ganz alltäglichen - manchmal lästigen - Seiten gebracht. Da ich zu dieser Zeit als einziger deutscher Assistent in der 70.000 Einwohner Stadt gemeinsam mit fünf Engländern und einem Schotten war, war es für mich wie 9 Monate in Frankreich und England zur selben Zeit.
A propos Engländer und Schotten bzw. was bedeutet der Brexit für Erasmus+?
Diese Frage kann ich zur Zeit nicht seriös beantworten und vermutlich kann das niemand. Zunächst wird sich nicht viel ändern. Wenn das Vereinigte Königreich allerdings tatsächlich aus der EU ausgetreten ist, müssten Verhandlungen über die Teilnahme an Erasmus+ geführt werden. Als zum Beispiel die Schweizer Bürgerinnen und Bürger sich im Februar 2014 in einem Referendum knapp für eine Begrenzung der Zuwanderung aus EU-Staaten entschieden hatten, setzte die EU die Verhandlungen über die Teilnahme der Schweiz an Horizon und Erasmus+ aus. Das Ergebnis ist, dass die Schweiz derzeit bei Erasmus+ nicht dabei ist. Ein Szenario, das man sich für das Vereinigte Königreich nur schwer vorstellen kann.
Vielen Dank für das Interview, Herr Schaaf.
Ich bedanke mich bei Ihnen und wünsche Ihrer Einrichtung viel Erfolg mit ihrem Mobilitätsprojekt!

Über Stefan Schaaf:
Abitur in Bernkastel-Kues, Studium (Chemie und Französisch Sek I/II) in Bonn, Referendariat und zweite Staatsprüfung in Duisburg. Danach ein halbes Jahr zeitlich befristet am privaten Gymnasium Schloss Hagerhof in Bad Honnef, Ausbildungsberater für Betriebe ausländischer Inhaber an der IHK zu Köln, seit Anfang 2000 zunächst als Referent, jetzt als Referatsleiter in der Nationalen Agentur im Pädagogischen Austauschdienst des Sekretariats der KMK.
Weitere Links zum Thema Brexit und internationaler Austausch:

Informationen des PAD für die nächste Antragsrunde
"Was wird aus Erasmus+?" (ntv vom 25. Juni 2016)
"Brexit würde akademischen Austausch erschweren" (Deutschlandradio Kultur vom 21. Juni 2016) 
Es sei daran erinnert, dass Frankreich seinerzeit aus der NATO ausgetreten ist, aber dennoch weiter aktiv war: "Hollande prüft Frankreichs Rückkehr in die Nato", allerdings von 2012. Vielleicht sind bei der Bildung ähnliche Assoziierungsabkommen möglich.

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